Der Historiker Peter Aerne (Neuchâtel) stieg in die Archive

Am Dienstagabend, 16. September 2025, referierte der Historiker Peter Aerne aus Neuchâtel über den steinigen Weg zum Frauenstimmrecht im Kanton Thurgau. In seinem interessanten und mit Leidenschaft vorgetragenen Ausführungen, zeichnete er die Entwicklungen vom frühen 20. Jahrhundert bis zum kantonalen und eidgenössischen Durchbruch im Jahr 1971 nach.

Ein Schwerpunkt lag auf der Rolle der Kirchgemeinden. Bereits das Organisationsgesetz für die Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau von 1921 eröffnete den Kirchgemeinden ausdrücklich die Möglichkeit, das Frauenstimm- und Wahlrecht einzuführen. Damit stand den Gemeinden ein rechtlicher Spielraum offen, den man als fortschrittlich bezeichnen könnte. Theoretisch hätten die Kirchbürger bereits ab diesem Zeitpunkt Frauen eine Mitsprache in kirchlichen Angelegenheiten gewähren können.

Doch Aerne zeigte auf, dass diese Chance über Jahrzehnte ungenutzt blieb. Mehrfach lehnten die männlichen Kirchbürger entsprechende Anträge ab: In Arbon etwa stimmten 1922 und 1930 über zwei Drittel der Männer dagegen, in Romanshorn 1932 gar knapp 70 %. Gleichzeitig belegten konsultative Frauenbefragungen aus der Zeit, dass die Frauen selbst mehrheitlich für die Einführung waren (z. B. Arbon 1929: 89 % JA).

Diese Diskrepanz machte deutlich, dass es nicht an den Frauen fehlte, sondern an den „mutigen Kirchbürgern“, wie Aerne es formulierte. Das Zitat des damaligen Kirchenratspräsidenten Robert Keller von 1943 brachte die Haltung vieler Entscheidungsträger auf den Punkt: Solange es kein Frauenstimmrecht gab, hielt man auch die Anstellung von Theologinnen für „höchst zweifelhaft“.

Erst Ende der 1950er-Jahre kam Bewegung in die Sache. 1959 lehnten die Männer gesamtschweizerisch das Frauenstimmrecht ab, befürworteten es aber in ersten evangelischen Kirchgemeinden: Roggwil, Arbon, Frauenfeld und Kreuzlingen. Wie allgemein verlangt, erfolgte der Schritt von unten nach oben, wie Aerne betonte.

Der Vortrag machte deutlich, dass die Einführung des Frauenstimmrechts im kirchlichen wie im politischen Bereich stets mit Machtteilung und Einflussverlust verbunden war – etwas, das viele Männer nicht freiwillig aufgaben. Aerne sprach von einer konservativeren Mentalität im Thurgau im Vergleich zu anderen Kantonen.

Am Schluss seines Referates zog er Bilanz: Der rechtliche Rahmen von 1921 hätte frühzeitig ein Fortschrittssignal gesetzt. Dass die Möglichkeit jahrzehntelang ungenutzt blieb, verweist auf die tief verwurzelten Rollenbilder und Widerstände jener Zeit. Erst mit viel Beharrlichkeit von Frauenorganisationen, einzelnen Theologinnen, politischen Kämpferinnen und wenigen aufgeschlossenen Männern gelang der Durchbruch.

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